Hier erfahren Sie mehr über Krankheitsbilder, die eventuell einen chirurgischen Eingriff erforderlich machen können.
Der Leistenbruch (auch Leistenhernie, Hernia inguinalis) ist eine Sonderform des Eingeweide- oder Bauchwandbruches und stellt unter diesen mit etwa 75% die häufigste Form dar. Mit jährlich etwa 200.000 Neuerkrankungen in Deutschland handelt es sich dabei um ein sehr häufiges Krankheitsbild. Männer sind hiervon aufgrund der anatomischen Gegebenheiten etwa 8mal häufiger betroffen als Frauen.
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Was ist ein Leistenbruch, wie macht er sich bemerkbar ?
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Unter einem Leistenbruch versteht man eine „Lücke“ (Öffnung) in der Bauchwand an anatomisch vorgegebenen Schwachstellen, durch die Eingeweideanteile hervortreten, und somit Beschwerden verursachen können.
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Man unterscheidet eine angeborene (indirekte, laterale) von einer erworbenen (direkten, medialen) Leistenhernie.
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Die angeborene Hernie ist beim Mann durch den Descensus des Hoden bedingt (der Hoden „wandert“ von seiner Anlage hinter der Niere bis zur Geburt durch den Leistenkanal in den Hodensack). Bleibt im Anschluss hieran eine natürliche Verklebung der entsprechenden Schichten aus, ist ein angeborener Bruch vorgegeben.
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Der erworbene Bruch hat in erster Linie mit dem Leistenkanal und der Wanderung des Hoden nichts zu tun, sondern liegt mittig (medial) hiervon im Bereich einer „Schwachstelle“ der Muskulatur der Bauchwand. Auslöser sind dann häufig Faktoren, die den Bauchinnendruck erhöhen, wie z.B. schwere körperliche Belastung/schweres Heben, chronischer Husten, Verstopfung/starkes Pressen, Übergewicht, Schwangerschaft oder selten auch mal Tumoren in der Bauchhöhle.
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Ein Leistenbruch führt nicht zwingend zu Beschwerden und kann vom Patienten zunächst auch unbemerkt bleiben. Insbesondere korreliert die Größe einer Hernie nicht mit der Intensität von Beschwerden. Schmerzen lokal in der Leistenregion, besonders unter und nach körperlicher Belastung, aber auch im Sitzen sind jedoch häufig, diese können beim Mann bis in den Hoden, bei der Frau bis in die Schamlippen ausstrahlen.. Besonders im Stehen (und zunehmend beim Pressen) kann eine Vorwölbung in der Leiste auftreten, die durch die Vorverlagerung von Eingeweideanteilen bedingt ist, und die bei Lagewechsel, z.B. im Liegen verschwinden kann. Bei kleinen Brüchen kann eine solche Vorwölbung (Schwellung) auch ganz fehlen. Längeres Bestehen eines Leistenbruches kann zu einer Größenzunahme führen, die letztlich zu einer Verlagerung von Eingeweideanteilen (z.B. Darm) in den Hodensack führt.
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(Wann) muß operiert werden ?
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Das Risiko einer Leistenhernie besteht in der akuten Einklemmung, die bis zu einer Unterbrechung der Blutzufuhr und einem folgendem Absterben von Darmanteilen führen kann oder zu einer Unterbrechung der Darmpassage mit dem Bild eines Darmverschlusses. Beides sind Notfallsituationen, in denen sofort operiert werden muß.
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Die Operation ist die einzige kausale Behandlungsoption. Medikamente oder auch eine konsequente Schonung führen in keinem Fall wieder zu einem Verschluss der Bruchlücke, können allenfalls Beschwerden lindern. Ein operative Versorgung ist nicht in jedem Fall zwingend erforderlich, beseitigt jedoch die Beschwerden und verhindert das Auftreten von Komplikationen. Ein in Ruhe vorbereiteter Eingriff ist wesentlich risikoärmer als die Notfalloperation.
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Die elektive (nicht-notfallmäßige) Operation ist heute unter Einsatz moderner Anästhesieverfahren und dank neuer Techniken in der Regel eine kaum belastende und schmerzarme Erfahrung. Daher wird sie zunehmend im ambulanten Bereich durchgeführt.
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Gibt es unterschiedliche Operationsmethoden ?
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In den letzten 25 Jahren haben wesentliche Veränderungen der chirurgischen Technik Einzug in der Versorgung von Leistenbrüchen gehalten. Zum einen sind hier spannungsfreie Methoden zu erwähnen, die unter Verwendung von Fremdmaterialen, zumeist gut verträglichen Netzen, einen Verschluss der Bruchlücke herbeiführen, wie z.B. die Lichtenstein-Operation. Zum anderen hat die Minimal-Invasive-Chirurgie (MIC, „Schlüsselloch-Chirurgie“) neue Methoden zur Verfügung gestellt.
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Das grundsätzliche Prinzip jeder Operation ist der Verschluss der Bruchlücke und die Replatzierung der Eingeweide in die Bauchhöhle.
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Traditionell erfolgte dies durch ein „Verschieben“ der Muskel- und Faszienschichten mittels verschiedener Nahttechniken (Technik nach Shouldice, Bassini, u.a.). Der Nachteil ist zumeist ein Verschluss unter Spannung. Dies führt zum einen häufig zu einer vermehrten Schmerzsymptomatik, zum anderen zu einer Beeinträchtigung der Gewebedurchblutung mit der Folge eines nicht seltenen Wiederauftretens des Bruches (Rezidiv).
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Neuere Techniken verwenden ein Fremdmaterial, entweder in Form eines Netzes (Mesh) oder eines Plug („Stöpsel“). Dabei wird die Bruchlücke durch das eingebrachte Material spannungsfrei und weit überlappend verschlossen. Viele große Studien haben gezeigt, daß das Auftreten von Rezidiven hierdurch signifikant gesenkt werden konnte. Dank einer erheblichen Weiterentwicklung sind die heute hierzu verwandten Materialien gut verträglich. Die Netze bestehen in der Regel aus Polypropylen und sind heute gegenüber den Anfängen deutlich gewichtsreduziert.
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Zwei unterschiedliche Zugangswege sind zu unterscheiden:
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– Konventionell, offen
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– Minimal-invasiv (MIC), endoskopisch, Schlüssellochchirurgie
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Bei der konventionellen Methode wird über ein Schnitt in der Leiste operiert. Wir wenden hier bevorzugt die Operation nach Lichtenstein an. Dabei wird die Bruchlücke von vorne mit Polyprpylen-Netz bedeckt, die Bauchhöhle muß in aller Regel nicht eröffnet werden. Es handelt sich dabei um ein technisch einfaches, risikoarmes und sicheres Verfahren. Bei ausgeprägtem Vorbehalt gegen Verwendung von Fremdmaterialien bieten wir selbstverständlich auf Wunsch auch eine traditionelle Versorgungsform an (OP nach Shouldice), wobei durch eine Dopplung bestimmter Schichten der Bauchdecke die Lücke verschlossen wird. Auf ein höheres Rezidivrisiko und eine anfänglich stärker ausgeprägte Schmerzsymptomatik muß hier jedoch hingewiesen werden.
Unter den minimal-invasiven Verfahren wenden wir die TAPP (Transabdominelle Praeperitoneale Plastik) an. Hierbei wird über drei sehr kleine Zugänge in Höhe des Bauchnabels die Bruchlücke von innen, also von der Bauchhöhle aus mit einem weit überlappenden Netz verschlossen, wir verwenden hierfür zur Vermeidung von Komplikationen keine Clips. Das Bauchfell (Peritoneum), die Innenauskleidung der Bauchhöhle, wird hierzu gelöst, ein ausreichend großes Netz in einer vorbereiteten Tasche platziert und hierin nach Wiederannaht des Peritoneum gehalten.
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Welche Operationsmethode ist für mich die Richtige ? Kann etwas passieren ?
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Jedes der Verfahren hat seine „Stärken und Schwächen“, es gibt keine grundsätzlich überlegene Methode, die Entscheidung wird in jedem Fall individuell getroffen. Allen Versorgungsformen unter Verwendung eines Netzes gemeinsam ist die Sicherheit hinsichtlich der Vermeidung eines Rezidives, die Häufigkeit liegt deutlich unter 5%. Welche Methode für Sie die Richtige ist, entscheiden wir in einem ausführlichen Gespräch gemeinsam mit Ihnen. Hierbei werden Größe und Beschaffenheit des Bruches, Voroperationen, individuelle Risikofaktoren (z.B. Herz- oder Lungenerkrankungen) aber auch Ihr individueller Wunsch berücksichtigt.
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Dank wesentlicher Fortschritte ist heutzutage die Operation einer Leistenhernie für den Patienten eine wenig belastende und risikoarme Erfahrung. Sehr selten nur kommt es zu Nachblutungen oder Wundheilungsstörungen. Die verwandten Netze werden sehr gut vom Körper vertragen, Netzinfekte stellen eine Rarität dar, vorübergehende Ausschwitzungen von Gewebeflüssigkeit (Serom) als Reaktion auf das Netz, resorbiert der Körper in aller Regel selbst. Postoperative Sensibilitätsstörungen, oder gar Hodenschädigungen und Samenstrangverletzungen treten ebenfalls sehr selten auf.
Nach der Operation bei uns werden Sie von einem Krankentransport-Unternehmen nach Hause begleitet . Sie bekommen eine Telefonnummer für Notfälle und Fragen, ausreichend Schmerzmittel und wichtige Verhaltensmaßnahmen schriftlich ausgehändigt. Bei allen Verfahren, bei denen ein Netz verwandt wird, erfolgt die Mobilisation vom ersten postoperativen Tag an für die notwendigen Tätigkeiten des Alltags, wie Aufstehen, Bekleiden, Hygiene, Gehen. Eine vollständige Belastbarkeit einschließlich sportlicher Aktivitäten wird meist nach 2 – 3 Wochen wieder erreicht.
Dr. med. Ingo Deist
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Facharzt für Chirurgie, Viszeralchirurgie, Proktologie
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